Veranstaltungen
Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit No. 8
27.–28. April 2017 in der Düsseldorfer Rheinterrasse
Wie wird aus Wohnhäusern Stadt?
Bezahlbarer Wohnraum steht heute ganz oben auf der politischen Agenda der Bundesrepublik Deutschland. Die Fachwelt betont, dass die Fehler der 1960er Jahre, ein Wohnungsbau in Form von Großsiedlungen auf der grünen Wiese, nicht wiederholt werden dürfen. Das gemischte Stadtquartier im Kontext der bestehenden Stadt ist in aller Munde. Doch sind die Projekte des neu entfachten Wohnungsbaubooms weit von einer lebendigen Stadtquartiersatmosphäre entfernt. Noch immer sind die neuen Wohnanlagen zu monofunktional, bieten nicht genügend Optionen für unterschiedliche soziale Lebenslagen, werden als Solitäre auf einer städtebaulich unbestimmten Fläche angelegt und sind weit davon entfernt, durch ansprechende Fassaden den öffentlichen Raum zu definieren.
In vielen Projekten lebt ungewollt die Siedlungsideologie weiter: gleichartige Wohnungen, allseitige Besonnung und Belüftung, mehr Grünraum als Straßenraum. Kurz: Es fehlt das Verständnis für das, was Stadt ausmacht, die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit – und damit eine Unterscheidung von vorne und hinten. Im Siedlungsbau sind alle Seiten gleich; im Städtebau dagegen gibt es Vorderseiten, die den öffentlichen Raum definieren, und Rückseiten, die sich einem privaten Raum zuwenden. Die Vorderseiten sind als Straßen- und Platzwände anspruchsvoll gestaltet, um den Bedürfnissen der urbanen Öffentlichkeit gerecht zu werden. Die Rückseiten umfassen die Höfe und Gärten und machen diese zu einem Innenraum, der von den Anliegern genutzt wird.
Das Verständnis für diese Differenzierung, für das “Vorne und Hinten”, das “Öffentlich und Privat”, gilt es wiederzugewinnen, wenn mit den neuen Wohnhäusern tatsächlich urbane Quartiere entstehen sollen. Es reicht nicht, sich mit ökologischer Nachhaltigkeit, ökonomischer Machbarkeit, funktionaler und sozialer Mischung oder den rechtlichen Rahmenbedingungen für neuen urbanen Wohnungsbau zu beschäftigen. Es muss auch untersucht werden, mit welchen städtebaulichen und architektonischen Typen von Blöcken, Häusern, Grundrissen und Fassaden das allseits gewünschte urbane Quartier erreicht werden kann. Deshalb widmet sich die 8. Düsseldorfer Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt der so einfach zu stellenden und so schwierig zu beantwortenden Frage: Wie wird aus Wohnhäusern Stadt?
1. Vorne – Hinten: Der Grundriss
Der auf gleichmäßige Ost-West-Besonnung ausgerichtete Wohnungsgrundriss ist städtebaulich völlig unflexibel und führt konsequenter Weise zur Stadtauflösung durch Zeilenbau. Wohnungsgrundrisse müssen aber flexibel auf unterschiedliche städtebauliche Lagen reagieren können: am Blockrand – an der Blockecke, zur Straße – zum Hof, nach Norden – nach Süden, im Tal – am Hang, zur Autostraße – zur Fußgängergasse etc. Mehr noch: mit ihrer Grundrissausbildung und ihrer Haustypenbildung muss die Wohnung ihrerseits charakteristische städtische Orte schaffen. An Stelle von Zeilen, Solitären oder Großstrukturen bildet das mehrgeschossige Haus am Blockrand mit rückseitigen Flügeln am Hof flexible Möglichkeiten, eine Differenzierung von öffentlichen und privaten Sphären auszubilden und unterschiedlichsten Ansprüchen zu genügen.
Welche Blocktypen, welche Haus- und Hoftypen, welche Grundrisse sind geeignet, vielfältige Nutzungen in einem Stadtquartier mit schönen öffentlichen Räumen zu ermöglichen?
2. Vorne – Hinten: Die Nutzung
Der allseitig gleiche Wohnungsbau unserer Zeit entspricht noch immer dem Wohngebäude des Siedlungsbaus und ist damit notgedrungen monofunktional: allein Wohnen – meist mit programmatisch sozialer Homogenität – ist dort möglich. In ein lebendiges Stadtquartier gehören aber zur Wohnungsetage noch vielfältige weitere Nutzungen, um die funktionale wie soziale Mischung, wie sie in den beliebten Gründerzeitvierteln zu finden ist, zu gewährleisten: Geschäfte und Restaurants müssen die Möglichkeit haben, sich an der baulichen Kante des Blocks zum öffentlichen Raum hin anzusiedeln. Auch eine Büronutzung kann im städtischen Haus neben der Wohnnutzung existieren. Im Hof kann der vielfältige Betrieb vom traditionellen Handwerk bis zum digitalen Start-Up unterkommen und so zu einer erneuten Mischung von Wohnen und Arbeiten beitragen. Nicht in jeder Wohnstraße wird das Erdgeschoss auch durch Läden kommerziell nutzbar sein; aber es ist denkbar, durch gewerbliche Hofnutzung in kostengünstiger Lage Möglichkeiten einer diversifizierten Ökonomie von Migranten bis High-Tech-Yuppies zu schaffen.
Welche Nutzungen und soziale Vielfalt sind für ein lebendiges Stadtquartier wünschenswert? Welche architektonischen Orte wie Schaufenster, Durchgänge, Eingänge, Hofflügel, Hofhallen, Gartenhäuser, Fahrradschuppen usw. muss ein urbaner Wohnungsbau schaffen, um diese diversen Nutzungen zu ermöglichen?
3. Vorne – Hinten: Die Fassade
Im floating space mit allseits gleichen Wohnqualitäten sind alle Fassaden gleich; der heutige Wohnungsbau kennt keine Vorder- und Rückfassaden. Meist gut gemeint, wird auch um jüngste Wohnungsbauprojekte die vom Architekten designte Fassade um das ganze Haus herumgezogen. Doch die Kosten dieser gestalterischen Gleichberechtigung sind hoch: Die öffentliche Seite des Hauses verliert ihre Besonderheit, einen privilegierten öffentlichen Raum auszubilden; die private Seite des Hauses verliert ihre Freiheit, informell den unterschiedlichen und wandelbaren Vorstellungen der Bewohner entsprechen zu können. Individualistische Balkonkaskaden zur Straße sind ebenso unstädtisch wie formstrenge Hoffassaden unwohnlich sind.
Welche Differenzierungen sind zwischen Vorder- und Rückfassaden notwendig, um den unterschiedlichen Sphären des Öffentlichen und Privaten Ausdruck zu verleihen? Wie muss die Vorderfassade des städtischen Wohnhauses gestaltet sein, damit sie im Kontext der Nachbarhäuser als Straßen- oder Platzwand öffentlichen Raum schafft?
Downloads:
Vortrag von Max Moor
(Fernsehmoderator)
Wie wird aus Wohnhäusern Stadt?
Der WDR im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Sonne.
Hauptförderer
Deppe Backstein-Keramik, FSB Franz Schneider Brakel, Grohe, Jung, Naber, Julius Ewald Schmitt, Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser, Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, Berker GmbH & Co, Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, pure invest GmbH, Stadtbaukultur NRW
Weitere Förderer
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen,
Architektenkammer Baden-Württemberg, Gesellschaft der Freunde der TU Dortmund e.V., TU Dortmund