Stuttgarter Konsens zur Reform des Städtebaurechts

Der Stuttgarter Konsens wurde an zwei runden Tischen am 17.11.2019 und am 10.1.2020 in Stuttgart erarbeitet.

Stand 04.02.2020

PRÄAMBEL

In der „Leipzig-Char­ta zur nach­halti­gen europäis­chen Stadt“ haben sich die Bau­min­is­ter Europas 2007 für eine Stärkung der Städte nach dem Leit­bild der europäis­chen Stadt ausgesprochen.

Um soziale Seg­re­ga­tion, poli­tis­che Dis­rup­tion, ökonomis­ches Down­grad­ing sowie Ein­seit­igkeit und Monot­o­nie in der Stad­ten­twick­lung zu vermeiden,empfiehlt die Leipzig-Char­ta Funk­tio­nen wie Wohnen, Arbeit­en, Bil­dung, Handel,Kulturund Freizeit wieder stärk­er miteinan­der zu mis­chen. Dies wird durch die beson­dere bauliche Kom­pak­theit der europäis­chen Stadter­re­icht, die nicht nur soziale und funk­tionale Vielfalt, son­dern auch den­drin­gend erforder­lichen Kli­maschutz ermöglicht. Eine hohe urbane Dichte ist energieef­fizien­ter, ver­ringert den Land­flächen­ver­brauch, min­imiert den Verkehr und ist damit durch gerin­geren CO2-Ausstoß kli­mafre­undlich­er, erhöht die Effizienz des ÖPNV und befördert Fußläu­figkeit und Fahrrad­mo­bil­ität (“Stadt der kurzen Wege”). Eine hohe Bevölkerungs­dichte ist die wirtschaftliche Voraus­set­zung best­möglicherVer­sorgungfür das alltägliche Leben.Gleichzeitig betont die Leipzig-Char­ta die zunehmende Bedeu­tung baukul­tureller Aspek­te in der Stadtplanung.Eine schöne Stadt mit ein­er hohen Gestaltqual­ität des öffentlichen Raums ist nicht Luxus, son­dern Notwendigkeit und schafft wichtige Impulse für das Wach­s­tum. Schöne Stadträume, gut gestal­tete Straßen und Plätze sowie öffentliche Parkssind sowohl die Orte des demokratis­chen Aus­tauschs, als auch inte­graler Bestandteil und notwendi­ge Ergänzung dichter Stadt­struk­turen im Sinne ein­er „dop­pel­ten Innenen­twick­lung“. Darüber­hin­aus entspricht es ein­er beson­deren planer­ischen Verantwortung,einem gesun­den Leben in unseren Städten mit sauber­er Luft und Ruhe gerecht zu wer­den. Bis­lang fehlt in vie­len Stadtquartiersen­twick­lun­gen und ‑entwür­fen die Umset­zung dieser Qual­itäten, weshalb die Ziele der Leipzig-Char­ta nicht erre­icht werden.Dies hat mehrere Ursachen. Eine entschei­dende Ursache liegt in den Regelun­gen des Städte­bau­rechts, die noch nicht an die Ziele der Leipzig-Char­ta angepasst wurden.

Das Bauge­set­zbuch (BauGB)und die Baunutzungsverord­nung (BauNVO)entsprechen nicht mehr den Zie­len der Leipzig-Char­ta und den heute noch ein­mal ver­schärften Anforderun­gen an eine Stadt, die den Forderun­gen nach Ressourcenscho­nung und Kli­maschutz, bezahlbarem Wohn­raum und sozialem Zusam­men­halt gerecht wird. Die Baunutzungsverord­nung (BauN­VO) in ihrer aktuellen Fas­sung mit ihren gebi­etssepari­eren­den Nutzungskat­a­lo­gen und Dich­teober­gren­zen, sowie die Bes­tim­mungen der Tech­nis­chen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) arbeit­en den Forderun­gen der Leipzig-Char­ta vielmehr ent­ge­gen, weil sie funk­tionale Mis­chung und urbane Dichte behin­dern. Grund­sät­zlich gilt: Regeln sind notwendig!Rechtssicherheit und stützen­des Rah­men­recht sind die Grund­lage für eine qual­itätvollestädte­bauliche Entwick­lung in unserem demokratis­chen Rechtsstaat. Zeit­gemäßes inte­gri­ertes Pla­nen und Han­deln erfordern­je­dochRegeln, die den aktuel­len­Pla­nungszie­len auch tat­säch­lich entsprechen.

Um das Bewusst­sein für gemein­same Werte, Geschichte, Maßstäblichkeit und Schön­heit der Stadt zu stärken,ist es daher an der Zeit, das in der Leipzig-Char­ta for­mulierte Leit­bild der europäis­chen Stadt nun auch geset­zge­berisch zu unter­stützen und umzusetzen.